Friedhofslehrpfad „Gedächtnis von VrchlabíÍ“
Nehmen Sie die Einladung zu einem Spaziergang zu den letzten Ruhestätten bedeutender Persönlichkeiten an, die mit der Geschichte der Stadt Vrchlabí im Riesengebirge verbunden sind. Der Weg führt Sie durch den Stadtfriedhof, Sie erfahren einige interessante Fakten über Persönlichkeiten aus Vrchlabí und kommen an mehreren Gebäuden von hohem architektonischem und kunsthistorischem Wert vorbei, von denen einige bereits durch ihr Alter und mangelnde Pflege ihrer Besitzer beeinträchtigt sind. Außerdem können Sie die Ruhe und Stille genießen, die ein Friedhof meist bietet, ergänzt durch einen herrlichen Blick auf die Stadt und die umliegenden Hügel.
Die Route des Friedhofsrundgangs lässt sich mit Hilfe von Flyern mit einer Karte, die Sie in den Taschen an der Informationstafel vor dem Friedhofstor finden, leicht zurücklegen. Interessante Stationen sind mit nummerierten Pfählen gekennzeichnet, die vor den Gräbern und Grabstätten in den Boden gesteckt sind. Der Friedhofsweg ist nicht lang, aber aufgrund der Lage des Friedhofs auf einem steilen Hügel nicht ganz einfach zu bewältigen.
1. Petera
Ignaz Theodor Petera (1840 –1904), Begründer der Automobilindustrie in Vrchlabí/Hohenelbe. Er lernte beim Sattlermeister Peter Ettel in Hohenelbe, wo er sich 1862 ständig niederließ. 1864 gründete er eine Firma mit englischer Sattlerei sowie Schlitten- und Kutschenbau. Zur Wende im Herstellungsprogramm der Firma, die sich bis 1908 auf die Anfertigung von Pferdegeschirren, -kutschen und -schlitten sowie Reitsättel spezialisierte, kam es in dem Augenblick, als sie für den Fabrikanten Jerie die erste Automobilkarosserie herstellte. Dies leitete, nun schon aufgrund eines Herstellungsvertrags mit der Reichenberger Fabrik RAF, die Ära der Herstellung von Automobilkarosserien ein. Eine von ihnen war sogar für den österreichischen Kaiser bestimmt. Im Laufe des 1.Weltkriegs wurde das Sortiment der Firma dem Kriegsbedarf angepasst. So stellte die Firma Zweiradwagen, Maschinengewehrlafetten, Karosserien für Sanitätswagen oder Schlitten, versuchsweise auch Flugzeuge her. In der 1. Tschechoslow. Republik wurde der Kutschenbau eingestellt, fortan stellte die Firma Chassis für verschiedene Typen in- und ausländischer Automobilmarken her. Ende 1930 nahm die Firma die Produktion von Motorseglern und Gleitflugzeugen auf. Am Ende dieser berühmten Ära im Laufe des 2. Weltkrieges war die Firma in Besitz der Gesellschafter Josef Petera Senior und Junior sowie des Neffen und gleichzeitig Cousins Theodor Petera, die Firma konzentrierte sich damals auf die Kriegsproduktion von Ersatzteilen, Schulsegelflugzeugen und Autos mit aufmontierten MG‘s. Nach Kriegsende gelangte die ca. 25 Mio. Kronen schwere Firma aufgrund der Beneš-Dekrete in staatlichen Besitz und anschließend in die Hände der Skoda-Werke in Ml. Boleslav. Das eher unauffällige Familiengrabmal im klassizistischen Stil mit Jugendstilelementen stammt aus dem Jahre 1894.
2. Schmidt
(heute Grabmal der Familien Franěk und Hrkel)
Ein klassizistisches Grabmal, das nach der Zwangsaussiedlung nach Kriegsende ihrem Schicksal überlassen blieb. Dann gelangte es in den Besitz der Familie Hrkel, die es vorbildlich restaurierte. Es trägt typische Merkmale des Klassizismus – symmetrische Fassaden mit Pilastern, einen flachen Risalit und über ihm einen dreieckigen, Segment- oder gedrückten Giebel. Das Grabmal wurde 1901 vom Hohenelber Architekten Zirm entworfen. Der Bauplan in völligem Umfang ist im Archiv des Bauamts von Vrchlabí zu sehen.
3. Wenzel Weber
Namhafte Hohenelber Persönlichkeit aus der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts (1824 –1888), Hohenelber Dekan, der sich um den Bau der neuen Dekanatskirche am Friedensplatz (nám. Míru) verdient machte. Gleichzeitig war er auch Schulinspektor und Streiter gegen die Emanzipation der tschechischen Sprache im damaligen Schulwesen. Im preußisch-österreichischen Krieg von 1866 intervenierte er bei der preußischen Heeresleitung gegen die Plünderung und die Requisition an Lebensmitteln. Als erster Vorsitzender des Österreichischen Riesengebirgsverbands förderte er den Aufschwung des Tourismus, der Weg durch das Tal der Weißwasser/Bílé Labe trägt bis heute seinen Namen. Die Stadt Vrchlabí kürte ihn zum Ehrenbürger.
4. Wonka, Langner, Pilz, Ritter- Stocek
Klassizistische und stillose Objekte – typische Beispiele prächtiger Friedhofsarchitektur aus der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts.
5. Kostial
Grabmal aus dem Jahre 1814, eines der ältesten auf unserem Friedhof. Auftraggeber dieses mit Skulpturen von Václav Prachner verzierten Grabmales war der Geschäftsmann Jan Kostial (verstorben im Jahre 1814). Zwei Jahre später wurden hier sein Sohn Ignaz Antonín und 1822 ein weiterer Sohn, Jan Antonín beigesetzt. Václav (Wenzel) Prachner (1784 –1832) war ein Prager Bildhauer aus einer aus Bayern stammenden Familie und einer der namhaftesten Repräsentanten der klassischen Bildhauerei in Böhmen. Seit 2010 steht das Grabmal unter Denkmalschutz.
6. Ehinger
Eine Rekonstruktion durch die Firma Daněk aus Vrchlabí verlieh dem beschädigten Grabmal sein ursprüngliches Aussehen zurück. Seine Renovierung wurde von Kristian Ehinger, einem ehemaligen Juristen des Unternehmens VW beaufsichtigt und finanziert (dessen Konzern auch das Hohenelber Werk der ŠKODA AUTO AG angehört), dem Urenkel von Adalbert Ehinger, eines hiesigen Fabrikanten und Textilunternehmers und im Laufe der 2. Hälfte des 19. Jh. auch langjährigen Bürgermeisters unserer Stadt.
7. Pohl
Der Blickfang des baufälligen, klassizistischen Grabmals ist eine unsignierte Frauenskulptur. Der Name Pohl ist in Vrchlabí eng mit der Graveurkunst und einem späteren Geschäft verbunden. Im Bauarchiv blieb der Entwurf zu einer nicht realisierten Rekonstruktion des Grabmals in neugotischem Stil bewahrt.
8. Czerweny
Torso eines Grabmals in klassizistischem Stil – eines der ältesten in unserem Führer. Es stammt noch aus der Zeit der Gründung des Hohenelber Friedhofs zu Beginn des 19. Jahrhunderts. Sein roter Sandstein war seinerzeit ein leicht verfügbares Material und widerspiegelt zudem auch den Familiennamen. Diese Textilunternehmerfamilie eignete beispielsweise die Bleicherei, in der heute die Firma Havex siedelt.
9. Mahrle (Guido Priesel)
Guido Priesel (1890 –1918) war Flugionier und Pionier der Aviatik in unserer Stadt. Schon vor dem 1. Weltkrieg konstruierte mehrere Flugzeuge, die er auf der Wiese in Vejsplachy testete, wo sich auch ein Hangar aus Leinen und eine kleine Werkstatt befanden. Im Laufe des 1. Weltkrieges arbeitete er in der Nähe von Wien, wo er als Flugkonstrukteur Kampfflugzeuge für die österreichische Armee entwickelte. So arbeitete er an einen Kampfeinsitzer und war auch Autor der Unterbrechergetriebe für Flugzeug-Maschinengewehre. Er stieg bis zum Oberleutnant auf, das Ende des Krieges erlebte er jedoch nicht mehr. 1918 kam er bei einem Flugunglück um. Am 20. 3. 1918 wurde Ingenieur Priesel auf unserem Friedhof beigesetzt.
10. Kablik
Josephine Kablik (ova), die Tochter des Fabrikanten Ettel, ehelichte Adelbert (Vojtěch) Kablík, nachdem dieser in Hohenelbe die Apotheke ‚Zum Adler‘ (die heutige Apotheke Devětsil) erworben hatte. Die Tätigkeit in der Apotheke erweckte ihr Interesse an Pflanzen und der Botanik; in ihrer Freizeit unternahm sie Exkursionen in die Berge, wo sie Pflanzen sammelte und präparierte, von denen nahezu 50 Tsd. aus dem Riesengebirge in Ausstellungen in Prag, Wien und Regensburg gelangten. Sie legte mehrere botanische Herbarien an. Sogar Jan Evangelista Purkyně und die Maler Josef und Quido Mánes besuchten sie in Hohenelbe. Ihr Name lebt in den Namen einiger Riesengebirgspflanzen weiter. In Hohenelbe gründete sie zudem eine Stiftung zur Unterstützung talentierter, aber mittelloser Schüler. Ihr Ehegatte Adelbert legte ausgedehnte Sammlungen an und zusammen mit Josephine gründeten sie das erste Naturkundemuseum der Stadt. Gleichzeitig war er ein tüchtiger Chemiker, dessen Talent in verschiedene Erfindungen einmündete – z.B. in neue Verfahren zum Bleichen von Stoffen und Papierfärben.
11. Jerie
Dieses neugotische Grabmal gehört zu den Perlen unseres Friedhofes. In Ausführung und Verarbeitung ähnelt es der städtischen Dekanatskirche St. Laurentius. Willibald Jerie sen. (1819 –1895) war Textilfabrikant, Besitzer einer Fabrik in der Bahnhofsstraße und auch politisch aktiv. Sein gleichnamiger Enkel Willibald Jerie jun. leitete die Firma bis zu seinem Tode im Jahre 1927 und war einer der ersten Kunden der Hohenelber Karosseriefirma Petera & Söhne. Gerade für W. Jerie bauten die Petera‘s die allererste Automobilkarosserie. Bemerkenswert ist, dass die Jerie-Gruft viele Jahre als provisorische Grabstätte der Gebeine der Besitzer der Hohenelber Herrschaft aus dem Haus Czernin-Morzin diente. 2017 wurden ihre sterblichen Überreste in eine Familiengruft überführt. Seit 2010 steht das Grabmal unter Denkmalschutz.
12. Sirowatka
Grabmal aus dem Jahre 1880 im frühen Jugendstil mit all dessen charakteristischen Zügen – Pflanzenornamenten, Kreisen, Kränzen mit Schleifen und vertikalen Leisten. Der hier begrabene Karl Sirowatka war nicht nur Unternehmer und Geschäftsmann, sondern auch einer der ersten Skiläufer des Riesengebirges und Vorreiter des Skisports.
13. Ettel
Ein weiteres Jugendstil-Grabmal. Die Ettel‘s waren Papierfabrikanten, deren Fabrik unter der ältesten Steinbrücke von Vrchlabí über die Elbe stand. Später kaufte Willibald Jerie Familie Ettel diese Fabrik ab.
14. Guido Rotter
In dieser klassizistischen Gruft aus dem Jahre 1882 ruhen die Mitglieder der Familie Rotter, der Inhaber der Spinnereien und der Weberei im Ortsteil Hořejší Vrchlabí. Guido Rotter sen. war ein Mäzen des Tourismus und Skisports, es war sein Verdienst, dass Hohenelbe – Vrchlabí mit Recht als Wiege des Skilaufs in Mitteleuropa angesehen wird. Er gründete und leitete ein Netz von Jugendherbergen für Schüler und Studenten, das sich rasch über Böhmen, Österreich, Schlesien und Deutschland ausbreitete. Eine Gedenktafel am Grabmal erinnert an sein Wirken als erster Präsident des österreichischen Skiverbands. Sein Sohn Guido Rotter jun. nahm im Großen Krieg an Kämpfen in Norditalien teil. In der ‚Ersten Republik‘ war er in den Strukturen des deutschen Skiverbands der Tschechoslowakei tätig.
15. Ignaz Rotter
Neuromanisches Grabmal aus herrlich geschnittenen Sandsteinquadern. Das Grabmal wurde vom Hohenelber Architekten Zirm entworfen. Die Rotters waren namhafte Textilfabrikanten, deren Werk in Ober Hohenelbe/Hořejší Vrchlabí stand. Seit 2010 steht das Grabmal unter Denkmalschutz.
16. Fr. Rotter
Grabmal im Neorenaissancestil, das zudem gewisse Jugendstilelemente zieren. Die Christusstatue ist von Karl Heinrich Scholz, einem Bildhauer aus Luha bei Raspenava signiert. Sein berühmtestes Werk ist die Bronzeskulptur des Albrecht von Waldstein (Wallenstein) am Markplatz in Frýdlant v Čechách, die 1934 entstand – aus gleicher Zeit stammt auch die Statue auf unserem Friedhof. J. Hašek setzte Scholz ein unsterbliches Denkmal in seinem „Braven Soldaten Schwejk“, in dem auch ein Bildhauer Scholc vorkommt. Vor allem der Statue wegen stellte man das Grabmal 2017 unter Denkmalschutz.
17. Müller
Außergewöhnliches Grabmal im Stil des Kubismus aus dem Jahre 1 915 mit typischen kristallischen Formen.
18. Hollmann
In dieser Gruft ruht Kleofas Hollmann (1865 –1924), ein Baumeister und Architekt, der das heutige Antlitz unserer Stadt mitprägte. Eines seiner schönsten Werke ist zweifelsohne die Villa in der Žižka-Straße, in dem sich heute ein Kinderheim befindet. Er entwarf oder realisierte u.a. die Gebäude des heutigen Gymnasiums von Vrchlabí und der Bank ČSOB, der Jugendstilkirche in Zadní Herlíkovice sowie des im gleichen Stil errichteten evangelischen Pfarrhauses und der verfallenen Kirche in Přední Lánov. Auch die Architektur des ehemaligen jüdischen Friedhofes trug deutlich seine Handschrift. Er starb als Teilnehmer des Gau-Turnfestes vom 13. Juli 1924, an dem er kraft seiner Funktion als damaliger Hohenelber Bürgermeister teilnahm.
19. Namenloses Grab
Architektonisch interessantes Grabmal im kubistischen Stil mit kristallischen Elementen.
20. Kriegsopferdenkmal
Das Denkmal wurde zu Ehren der Krieger errichtet, die ihren Verwundungen in den Kämpfen des 1. Weltkrieges erlagen. Nach dem 2. Weltkrieg, wohl schon vor Ende des Jahres 1945, wurden hier Rotarmisten beigesetzt. Dabei ging es um die exhumierten sterblichen Reste geflohener junger sowjetischer Gefangener, die man hingerichtet und in eine Grube auf dem ehemaligen jüdischen Friedhof geworfen hatte. Auch ein Soldat, den man am 10. 5. 1945 beim Plündern an der Schule am Friedensplatz (nám. Míru) erschossen hatte, wurde hier feierlich beigesetzt. Wohl auch die sowjetischen Wachposten aus der Firma Lorenz, dem späteren Tesla, fanden hier ihre letzte Ruhestätte. Insgesamt sollen hier 22 sowjetische Soldaten begraben liegen.
21. Zentrales lateinisches Kreuz
„Wer zu mir kommt, den werde ich nicht verstoßen.“ (Joh. 6: 37).
Die Inschrift korrespondiert in seiner Symbolik mit diesem letzten Ruheort. Mittelpunkt unseres Friedhofs ist ein gusseisernes Kreuz, dass in einer der Gießereien in Komárno gegossen wurde. In Tschechien gibt es weitere drei ähnliche Kreuze, aber dieses in Vrchlabí ist dank seiner Größe und plastischen Gestaltung von außerordentlicher ästhetischer Qualität. Es ist über 6 m hoch und der Leib Christi in Überlebensgröße ist polychromiert. Sein Podest zieren Zitate aus dem Johannes- und Matthäusevangelium.
22. Pavel Wonka
Das Grabmal des letzten direkten Opfers der kommunistischen Willkür erkennt man an der Dornenkrone, welches das Grab von Pavel Wonka (1953 –1988) aus Vrchlabí ziert. Die Kommunisten verurteilten ihn insgesamt dreimal: zuerst wegen seiner Kritik an den Verhältnissen auf Arbeit und der herrschenden Hierarchie, ein zweites Mal für seine Kritik und „den Missbrauch des Wahlsystems“, als er 1986 im Einklang mit dem Gesetz versuchte, als Unabhängiger für den Tschechischen Nationalrat zu kandidieren. Im Gefängnis wurde er gepeinigt und gefoltert. Seine dritte Haft wegen‚ Nichteinhaltung der Auflagen zur bedingten Entlassung‘ wurde ihm zum Verhängnis. Er begann einen Hungerstreik und starb im Gefängnis infolge völliger Erschöpfung des Organismus und unterlassener medizinischer Hilfe. Seine Beerdigung wurde zur größten Begräbnisfeier in der Nachkriegsgeschichte von Vrchlabí. An die 2000 Menschen nahmen direkt an ihr teil – außer Unterzeichnern der Charta 77, Mitgliedern des Ausschusses zur Verteidigung zu Unrecht Verfolgter, der Jazz-Sektion sowie Dissidenten auch Vertreter von acht Botschaften (Australien, Großbritannien, Frankreich, Italien, Kanada, USA, Kanada und BRD). Das Ereignis wurde außer von der Staatssicherheit auch vom öffentlich-rechtlichen Rundfunk ARD aufgenommen und ausgestrahlt.
23. Jüdischer Friedhof
Er breitete sich im unteren Teil des heutigen Urnenhains aus. Er entstand 1910 nach einem Entwurf von Kleofas Hollmann. Vordem begruben die hiesigen Juden ihre Verstorbenen auf dem Friedhof in Hořice. Gegen Ende der Ersten Republik gab es hier ca. 40 Gräber. Im 2. Weltkrieg verschonten die Nazis den Friedhof und einer der städtischen Beamten bewahrte sein Aussehen in einer detaillierten Skizze. Sein Verfall nach dem 2. Weltkrieg hing dann wohl mit seiner vorangegangenen Kriegsschändung zusammen – der Hinrichtung und dem Verscharren sowjetischer Kriegsgefangener.